FACHKRÄFTEMANGEL bereitet der IT-Wirtschaft in Deutschland Probleme. In Ländern wie Kenia und Ruand werden dagegen immer mehr Spezialisten ausgebildet. Ein Gastbeitrag von Prof. Stefan Liebing.
ährend vie1e traditione11 für den deutschen Mit- telstand wichtige Absatz-
märkte derzeit schwächeln, ge- nieĺt der afrikanische Kontinent eine hohe Wachstumsrate. Das hat auch mit starkem Wachstum des 1oka1en IT-Sektors zu tun. Vom deutschen Mittelstand bislang noch weitgehend unbemerkt, nut- zen andere die Chancen bereits, die sich daraus ergeben.
Vor a11em Ostafrika verfügt über eine starke Digita1wirtschaft. „Si- 1icon Savannah” in Kenia etwa hat sich zu einem Zentrum für Start- ups auf diesem Gebiet entwickelt. Ruanda hat a11ein in den vergange- nen Jahren 50.000 Programmierer ausgebildet. Nigeria an der Atlan- tikküste verfügt über die nach In- dien zweitgröĺte Fi1m- und Medi- enwirtschaft, noch vor Ho11ywood.
Das hat die Bundesregierung er- kannt und etwa ein Migrationsab- kommen mit Kenia unterzeichnet mit dem Zie1, vor a11em qua1ifizierte Fachkräfte, auch aus dem IT-Sektor, nach Deutschland zu bringen, wo derzeit rund 150.000 entsprechende Ste11en nicht besetzt werden kön- nen. Die Realisierung eines solchen Konzepts ist nicht ganz einfach: Ne- ben Problemen etwa bei der Aner- kennung von Absch1üssen oder der Ertei1ung von Visa für Deutsch1and befürchten Unternehmer oft auch Sprach- und Integrationsprob1eme. Hinzu kommt, dass vie1e Ta1ente aus Afrika gern für deutsche Unterneh- men arbeiten möchten, aber auch zu Hause dringend gebraucht wer- den: Aus familiären oder kulturellen Gründen, aber auch, um ihr Land vor Ort aufzubauen.
Neues Geschäftsmodell: Outsourcing vor Ort
Angesichts dieser praktischen He- rausforderungen entsteht derzeit ein neues Geschäftsmodell: Deut- sche Unternehmen gründen lokale Niederlassungen oder arbeiten mit
IT-Fachkräfte in Kenia: Die Ausbildung in manchen afrikanischen
Ländern steht der unseren nicht nach.
150.000
Stellen im IT- Bereich kön- nen derzeit in Deutschland nicht besetzt werden.
Dienst1eistern vor Ort in Afrika zu- sammen und beauftragen die Um- setzung von IT-Projekten vor Ort.
Während hierzulande trotz Wirt- schaftskrise immer noch ein Mangel an gut qua1ifizierten IT-Fachkräften herrscht, versuchen afrikanische Regierungen, ihre junge Bevö1ke- rung in Arbeit zu bringen und so Wirtschaftswachstum zu ermög- lichen. Die Voraussetzung dafür: Gute Ausbildung, die der Qualität unserer Schu1en und Hochschu1en nicht nachsteht. In Kenia etwa sind staat1iche Universitäten genauso in der Ausbi1dung von IT-Experten tä- tig wie Ableger reputabler britischer oder amerikanischer Hochschu1en. Die Internatsschu1e Louisen1und aus Sch1eswig-Ho1stein hat kürz1ich ihre einzige Dependance weltweit eröffnet – in Ruanda. Dort werden Kinder aus der gesamten Region auf dem Niveau deutscher Schu1bi1dung unterrichtet.
Neben gut ausgebildeten Arbeits- kräften ist für ein solches Modell auch wichtig, dass die Infrastruk- tur vorhanden ist. Das funktioniert vor a11em in den Groĺstädten sehr gut und oft besser als in Deutsch- land. Durchgängig ausgebaute
5G-Mobilfunknetze sind ebenso se1bstverständ1ich wie G1asfaser- verbindungen. Bei E-Government- Anwendungen ist uns die Region weit voraus.
Nicht zu unterschätzen für die Be- reitschaft deutscher Unternehmen, sich in Afrika zu engagieren, ist neben der Verfügbarkeit gut ausge- bi1deter IT-Experten auch der sons- tige Rahmen. Bürokratie, Korruption oder po1itische Instabi1ität sind Ri- siken, die häufig mit Afrika verbun- den werden. Doch auch hier hat sich in den vergangenen Jahren vie1es auf dem Kontinent verbessert. Ob nun Fachkräfte aus Afrika hier nach Deutschland in die Betriebe kom- men oder vor Ort an Aufträgen aus Deutsch1and arbeiten: In jedem Fa11 lohnt sich ein genauerer Blick auf beide Optionen. Afrika könnte Prob- 1eme deutscher Unternehmen 1ösen.
PROF. STEFAN
LIEBING stammt aus Stuttgart. Er ist Unternehmer,
Honorarprofessor für Wirtschaft in Afrika und Beiratsvorsitzen- der der ReThinking Africa Foundation
9| 10.2025 Magazin Wirtschaft 47